Nebenberufliche Selbstständigkeit - Gründungsformalien und Sozialversicherung

Die nebenberufliche Selbständigkeit hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Laut KfW Gründungsmonitor vom Mai 2020 waren im Jahr 2019 rund 62 % aller Existenzgründungen auf einen Nebenerwerb ausgerichtet. Das weist auf ein großes Interesse an dieser Gründungsform hin. Das sind gute Gründe sich genauer mit der nebenberuflichen Selbständigkeit zu beschäftigen.

In einem ersten Blogartikel ging es um die Bedeutung und Voraussetzungen der nebenberuflichen Selbstständigkeit. In diesem zweiten Teil dieser Blogserie geht es um wichtige Gründungsformalien und die Bedeutung der Sozialversicherung sowie der Rentenversicherung.

Wichtige Gründungsformalien der nebenberuflichen Selbstständigkeit

Es wird zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften unterschieden, da die zugehörigen Rechtsformen unterschiedlichen formellen Voraussetzungen unterliegen.

In diesem Schaubild sind die Rechtsformen im Überblick dargestellt.

   

 

Bei den Rechtsformen der Einzelunternehmen und der Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) ist im Hinblick auf die jeweilige Tätigkeitsart zwischen gewerblicher Tätigkeit und freiberuflicher Tätigkeit zu unterscheiden:

  • Einzelunternehmen als auch die GbR können sowohl gewerbliche als auch freiberufliche Tätigkeiten ausüben.
  • Die Partnerschaftsgesellschaft ist ausschließlich freiberuflichen Tätigkeiten vorbehalten.
  • Die Unternehmergesellschaft mbH und die GmbH üben ausschließlich gewerbliche Tätigkeiten aus.

Das folgende Schaubild soll dies verdeutlichen.

 

   

 

Gewerbliche und freiberufliche Tätigkeiten

Zum Verständnis, was unter gewerblichen bzw. freiberuflichen Tätigkeiten zu verstehen ist, eine kurze Erläuterung:

Gewerbliche Tätigkeiten sind:

  • Betriebe des Handwerks und der Industrie
  • Handelsbetriebe
  • Vermittlungstätigkeiten (z.B. des Maklers oder Handelsvertreters)
  • Gaststättenbetriebe

Außerdem sind Gewerbebetrieb kraft Rechtsform:

Kapitalgesellschaften wie die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) (§ 2 Abs. 2 Gewerbesteuergesetz - GewStG).

Freiberufliche Tätigkeiten

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören insbesondere zu der freiberuflichen Tätigkeit

  • die selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit,
  • die selbstständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Künstler, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratende Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigten Bücherrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen (sogenannte Katalogberufe) und
  • den Katalogberufen ähnliche Berufe.
    Damit ein Beruf dem Katalogberuf ähnlich ist, muss er in wesentlichen Punkten mit diesem übereinstimmen. Dazu gehört, dass Ausbildung und die berufliche Tätigkeit selbst mit dem Katalogberuf vergleichbar sind.

 

Notwendige Gründungsformalien nach Rechtsform

Gründungsformalien des gewerblich tätigen Einzelunternehmens

  • Gewerbeanmeldung beim zuständigen Gewerbeamt
  • Pflichtmitgliedschaft bei der IHK/HWK. Die Anmeldung erfolgt automatisch mit der Gewerbeanmeldung.
  • Fragebogen zur steuerlichen Erfassung an das Finanzamt
  • Arbeitsagentur teilt eine Betriebsnummer zu, soweit Mitarbeiter beschäftigt werden
  • Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft
  • Geschäftskonto, um betriebliche und geschäftliche Zahlungsvorgänge zu trennen

Gründungsformalien des freiberuflich tätigen Einzelunternehmens

  • Fragebogen zur steuerlichen Erfassung an das Finanzamt
  • Arbeitsagentur teilt eine Betriebsnummer zu, soweit Mitarbeiter beschäftigt werden
  • Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft
  • Geschäftskonto, um betriebliche und geschäftliche Zahlungsvorgänge zu trennen

 

  

 

 

Gründungsformalien der gewerblich tätigen GbR

  • Gesellschaftsvertrag ist erforderlich
  • Gewerbeanmeldung beim zuständigen Gewerbeamt
  • Pflichtmitgliedschaft bei der IHK / HWK. Die Anmeldung erfolgt automatisch mit der Gewerbeanmeldung.
  • Fragebogen zur steuerlichen Erfassung an das Finanzamt
  • Arbeitsagentur teilt eine Betriebsnummer zu, soweit Mitarbeiter beschäftigt werden
  • Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft
  • Geschäftskonto, um betriebliche und geschäftliche Zahlungsvorgänge zu trennen

Gründungsformalien der freiberuflich tätigen GbR

  • Gesellschaftsvertrag ist erforderlich
  • Fragebogen zur steuerlichen Erfassung an das Finanzamt
  • Arbeitsagentur teilt eine Betriebsnummer zu, soweit Mitarbeiter beschäftigt werden
  • Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft
  • Geschäftskonto, um betriebliche und geschäftliche Zahlungsvorgänge zu trennen

PartG, ausschließlich freiberuflichen Tätigkeiten vorbehalten

  • Gesellschaftsvertrag ist zwingend erforderlich
  • Fragebogen zur steuerlichen Erfassung an das Finanzamt
  • Arbeitsagentur teilt eine Betriebsnummer zu, soweit Mitarbeiter beschäftigt werden
  • Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft
  • Geschäftskonto, um betriebliche und geschäftliche Zahlungsvorgänge zu trennen

 

   

 

 

UG mbH, kraft Rechtsform gewerblich

  • Gesellschaftsvertrag ist erforderlich
  • Notar
  • Handelsregister
  • Gewerbeanmeldung beim zuständigen Gewerbeamt
  • Pflichtmitgliedschaft bei der IHK / HWK. Die Anmeldung erfolgt automatisch mit der Gewerbeanmeldung.
  • Fragebogen zur steuerlichen Erfassung an das Finanzamt
  • Arbeitsagentur teilt eine Betriebsnummer zu, soweit Mitarbeiter beschäftigt werden
  • Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft
  • Geschäftskonto, um betriebliche und geschäftliche Zahlungsvorgänge zu trennen

GmbH, kraft Rechtsform gewerblich

  • Gesellschaftsvertrag ist erforderlich
  • Notar
  • Handelsregister
  • Gewerbeanmeldung beim zuständigen Gewerbeamt
  • Pflichtmitgliedschaft bei der IHK / HWK. Die Anmeldung erfolgt automatisch mit der Gewerbeanmeldung.
  • Fragebogen zur steuerlichen Erfassung an das Finanzamt
  • Arbeitsagentur teilt eine Betriebsnummer zu, soweit Mitarbeiter beschäftigt werden
  • Meldung an die zuständige Berufsgenossenschaft
  • Geschäftskonto, um betriebliche und geschäftliche Zahlungsvorgänge zu trennen

 

  

 

Sozialversicherung in der nebenberuflichen Selbstständigkeit

Soweit eine nebenberufliche Selbständigkeit nach der Gründung eines Unternehmens neben einem Beschäftigungsverhältnis als Arbeiter, Angestellter oder Auszubildender ausgeübt wird, ist der nebenberufliche Gründer über den Arbeitgeber weiterhin gesetzlich krankenversichert und es sind keine zusätzlichen Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen.

Dies ändert sich jedoch dann, wenn die Krankenversicherung die Selbständigkeit als hauptberuflich einstuft.

Der hauptberuflich Selbständige ist nunmehr verpflichtet, sich freiwillig gesetzlich oder privat zu versichern.

Wenn es gilt, die selbstständige Erwerbstätigkeit gegen eine oder mehrere abhängige Beschäftigungen abzugrenzen, wird von der Krankenkasse geprüft, ob die selbstständige Erwerbstätigkeit vom zeitlichen Umfang und der wirtschaftlichen Bedeutung das oder auch die Arbeitseinkommen aus nichtselbständigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt.

Der Entscheidung werden Grundsätze sog. Vermutungsregelungen zugrunde gelegt. Diese haben für alle Krankenkassen Empfehlungscharakter, damit jeder Einzelfall individuell bewertet werden kann.

Die Prüfung auf Grundlage dieser Vermutungsregelungen wird nicht nach starren Prüfungsschritten vorgenommen, sondern soll deshalb gerade in Zweifelsfällen im Rahmen einer Gesamtschau flexible Entscheidungen ermöglichen, um Zufallsergebnisse zu verhindern und die jeweiligen Kriterien gegeneinander abzuwägen.

Nach diesen Grundsätzen wird von einer nebenberuflichen Selbständigkeit ausgegangen, wenn folgende Kriterien vorliegen:

Der Zeitfaktor

Soweit die nebenberufliche Tätigkeit halbtags, also weniger als 20 Stunden durchschnittlich pro Woche ausgeübt wird (Zeitfaktor), ist von einer nebenberuflichen Tätigkeit auszugehen. Beträgt der Zeitaufwand mehr als 20 Stunden pro Woche wird eine hauptberufliche Selbstständigkeit vermutet.

Die Wochenstunden beinhalten auch die für die kaufmännische und organisatorische Führung des Betriebes erforderliche Zeit, insbesondere zur Erledigung der laufenden Verwaltung und Buchhaltung, Behördengänge, Geschäftsbesorgungen und ähnlicher Aufgaben.

Die wirtschaftliche Bedeutung

Für die Prüfung der wirtschaftlichen Bedeutung der selbstständigen Tätigkeit sind die Einkommen aus nicht selbständiger Beschäftigung und das Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit miteinander zu vergleichen.

Soweit nun die selbständige Tätigkeit im oben genannten Sinne deutlich überwiegt und damit die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhaltserhalts darstellt, wird eine hauptberufliche Selbständigkeit vermutet.

Werden mehrere selbstständige Tätigkeiten ausgeübt, sind sie hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und des zeitlichen Umfangs zusammenzurechnen.

Übersteigt die selbstständige Tätigkeit sowohl von der wirtschaftlichen Bedeutung als auch vom zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten um jeweils mindestens 20 %, kann von einem deutlichen Überwiegen ausgegangen werden. Dieser Prozentsatz ist allerdings kein starrer Wert, sondern dient der Orientierung.

Deshalb ist es auch möglich, dass bei einem Zeitaufwand von nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich die Annahme einer hauptberuflichen selbstständigen Tätigkeit nicht ausgeschlossen ist, wenn die daraus erzielten Einnahmen die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts bilden.

Umgekehrt kann aber auch bei einem Zeitaufwand von mehr als 20 Stunden in der Woche weiterhin eine nebenberufliche Tätigkeit vorliegen, wenn die aus der selbständigen Tätigkeit erzielten Einnahmen nicht die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellen.

Wird im Zusammenhang mit der nebenberuflichen Selbständigkeit mindesten ein Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigt, wird vermutet, dass eine hauptberufliche Selbstständigkeit vorliegt.

Angelehnt an die Richtline des gesetzlichen Krankenkassenverbands (GKV) aus 2019

Kontakt zur Krankenkasse aufnehmen ist wichtig

Es ist daher unbedingt notwendig mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen.

Die nebenberufliche Tätigkeit sollte der Krankenkasse mitgeteilt werden, damit diese eine Einstufung vornehmen kann, ob eine neben- oder hauptberufliche Selbstständigkeit vorliegt. Der Gewinn spielt für die Krankenversicherung eine wichtige Rolle und ist Entscheidungsgrundlage. Der Gründer muss daher zum Zeitpunkt der Gründung den möglichen Gewinn prognostizieren.

Hilfreich ist dabei der Businessplan, der alle Angaben der Selbständigkeit und insbesondere in der Finanzplanung den voraussichtlichen Gewinn darstellt.

Rentenversicherung in der nebenberuflichen Selbstständigkeit

Es ist normalerweise nicht notwendig in die Rentenversicherung einzuzahlen. Denn soweit eine nebenberufliche Selbstständigkeit gegeben ist, sind keine Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung zu bezahlen. Diese trägt weiterhin der Arbeitgeber des Hauptberufes. Die durch die Selbständigkeit erzielten Gewinne erhöhen daher das versicherungspflichtige Einkommen nicht.

Jedoch besteht eine Rentenversicherungspflicht für bestimmte selbständige Tätigkeiten wie zum Beispiel für Lehrer, Dozenten, Hebammen und andere Angehörige von Pflegeberufen sowie arbeitnehmerähnliche Selbständige. Arbeitnehmerähnliche Selbständige sind Selbständige, die auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftragnehmer arbeiten.

In diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff der “Scheinselbstständigkeit“.

Indizien für eine Scheinselbständigkeit können sein:

  • feste Arbeitszeiten
  • feste Einbindung in Prozesse oder die Infrastruktur des Auftraggebers
  • Arbeit in den Räumen des Auftraggebers
  • Unmittelbare Weisungsbefugnis des Auftraggebers bei der Erfüllung der Aufgaben
  • Keine Beschäftigung eines eigenen versicherungspflichtigen Arbeitnehmers durch den „Selbstständigen“
  • Feste Bezüge
  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
  • Urlaubsanspruch

 

Sie wünschen sich mehr Informationen zur nebenberuflichen Selbstständigkeit oder zum Businessplan?

Gerne informieren und beraten wir Sie auch persönlich! Vereinbaren Sie jetzt einen kostenfreien und unverbindlichen Beratungstermin.

Kontaktieren Sie uns telefonisch unter 0711 50437990, per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder über unser Kontaktformular.

 

Diese Blogbeiträge zum Thema Businessplan und Geschäftsmodelle könnten Sie auch interessieren:

Nebenberufliche Selbstständigkeit - Bedeutung und Voraussetzungen

Der Businessplan, seine Risiken und ihre Vermeidung

Mit Vorlagen und Tools zum bankfähigen Businessplan?

  • Erstellt am .
  • Geändert am .

Glassl & Brandel Unternehmensberatung
© Copyright 2022 – Urheberrechtlich geschützt